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Kommentar zum Artikel "Der Griff nach dem Wüstenwind" von Craig Morris in Sonne Wind & Wärme 2/2009

Dr.-Ing Dipl.-Phys. Gregor Czisch

So erfreulich ich es finde, dass sich Sonne Wind & Wärme im Heft 2/2009 im Beitrag von Craig Morris "Der Griff nach dem Wüstenwind" dem Thema der großräumigen Stromerzeugung aus regenerativen Energien annimmt, so sehr wundern mich doch einige Darstellungen in diesem Artikel. Er enthält einige mehr oder weniger subtile Angriffe, die der Sache nicht gerecht werden. Probleme, die bei der Vortragsveranstaltung in Karlsruhe, die den Ausgangspunkt des Artikels bildet, besprochen wurden und geklärt, werden angeschnitten ohne die diskutierten Lösungsansätze zu erwähnen. Es wird suggeriert, als wäre für die vorgestellten Szenarien nicht die Vollversorgung des gesamten Versorgungsgebiets berechnet, sondern nur an Europa gedacht worden. Dazu wird beispielsweise eine Grafik aus dem Vortrag verwendet, in der ein simpler Vergleich zur Veranschaulichung anstellt wird, um herausgelöst aus dem Gesamtzusammenhang implizit ungerechtfertigte Verallgemeinerungen nahezulegen. Wenn auch in einigen Teilen sonst recht gut, ist der unterschwellige Tenor des Artikels stark negativ geprägt.

Anlass zur Verwunderung geben beispielsweise folgende Passagen:

1. Passage:  "Es geht um nichts anderes als eine zentrale Stromversorgung ..."

Diese pauschale Behauptung widerspricht den Tatsachen. Es geht um eine großräumige Stromversorgung, die auch dezentrale Elemente enthält, aber eben auch solche, die auf internationaler Kooperation beruhen. Sie mag nicht nationalistisch geprägt sein, wie manch ein Ansatz dessen Antrieb auf der Idee der Energieautonomie beruht. Der Ansatz ist dagegen ein kooperativer.

2. Passage:  "Dabei rechnet Czisch die Windkraft auf eine Weise billig, die an die Rechnung der Zeitschrift Photon für die Novelle des EEG erinnert."

Diese Aussage ist eine ungeheuerliche Unterstellung, die jeder Grundlage entbehrt. Nichts wird billig gerechnet. Der Journalist hatte sogar das Kalkulationsprogramm, mit dem die - hier gemeinten - Berechnungen angestellt wurden. Es gab eine längere Diskussion mit der Redaktion über die Berechnungsmethode. Diese Methode - die Annuitätenrechnung - ist absolut anerkannt. Da ist alles korrekt! Das hat im Vorfeld weder der Journalist noch die Redaktion von Sonne Wind und Wärme bestritten, der die Berechnungen ebenfalls im Vorfeld der Veröffentlichung zugänglich waren. Die Unterstellung im Artikel entbehrt wohl darum auch jeder Konkretisierung. Es wird an keiner Stelle gesagt, was den Autor zu ihr veranlasst, obwohl dem Journalisten alle zugrundeliegenden Zahlen und Berechnungsmethoden zur Verfügung standen. Das riecht nach Stimmungsmache.

3. Passage:  "Czisch macht sich Feinde unter Leuten, die er braucht . . . und seine Kompromisslosigkeit wird ihn unnötig Anhänger kosten."

Die Idee, dass es Kompromisse bei wissenschaftlichen Ergebnissen geben könnte, ist absurd. "Wie hätten Sie es denn gerne", ist als Leitidee von Wissenschaft deren sicherer Bankrott. Wenn beispielsweise herauskommt, dass die Photovoltaik von der Optimierung nicht ausgewählt wird, solange der Preis nicht drastisch gesunken ist, kann nicht das Gegenteil behauptet werden und auch ein Verschweigen der Ergebnisse wäre unseriös. Wird hier vom Journalisten etwa implizit angefordert, je nach Interessenlage eben das zu tun, was der Autor zuvor unterstellt hat, nämlich - in diesem Falle die Photovoltaik - billig zu rechnen oder sonstige "Zugeständnisse" der Wissenschaft an die jeweiligen Lobbygruppen zu machen? Die Optimierung, die den Szenarien zugrunde liegt und für deren Objektivität sorgt, ist kompromisslos. Man kann auf der Grundlage der Erkenntnis aber dann Kompromisslinien finden, wie man eine Stromversorgung aufbauen will und welche zusätzlichen Kosten man bereit ist, in Kauf zu nehmen, um diese oder jene Gestaltungsidee umzusetzen. Dem Suchen nach Gestaltungsmöglichkeiten dient ja gerade die Vielzahl der berechneten Szenarien. Insofern bin ich als Wissenschaftler, der die Szenarien erstellt und berechnet hat, sehr wohl kompromissbereit, ebenso bei der Frage, wie man die Finanzierung tatsächlich gestaltet. Aber auch hier endet die Möglichkeit des Kompromisses an der Stelle, wo es um die Darstellung der Sachverhalte geht. Eine steuerfinanzierte Investition führt nun mal zwangsläufig zu niedrigeren Stromkosten als eine, bei der hohe Eigenkapitalrenditen bei hohen Eigenkapitalanteilen erwartet werden. Bei der Darstellung der Auswirkungen von verschiedenen Finanzierungsvarianten auf die Stromkosten kann es keine Kompromisse geben, wohl aber bei der Frage, wie wir es am Ende wirklich machen wollen. Es gibt also Stellen, an denen keine, und solche, an denen sehr wohl Kompromisse gemacht werden können. Die Grenze ist für jedermann nachvollziehbar. Wissenschaftliche Ergebnisse falsch darzustellen ist schlicht Betrug, ebenso wie die Zurückhaltung wichtiger Ergebnisse.

4. Passage:  "... unberücksichtigt: die Afrikaner

Dennoch rechnen die Forscher, als könne man die in Afrika installierte Leistung voll in unsere Stromversorgung einbeziehen (siehe Grafik).

Der Strombedarf Nordafrikas taucht nicht auf.
[in Graphikunterschrift]"

Hier wird offenbar bewusst unterstellt, in den Szenarien sein nicht die Vollversorgung des gesamten Versorgungsgebiets von Westsibirien bis Nordafrika berechnet, sondern nur an Europa gedacht. Hier werden Ressentiments geschürt. Dazu wird beispielsweise eine Grafik verwendet, in der der obere bereits erwähnte simple Vergleich zur Illustration angestellt wird, und das wird von dem Autoren des Artikels implizit verallgemeinert. Das geschieht, obwohl der Journalist bei der gesamten Veranstaltung anwesend war, in der ausführlichst auf diese Frage eingegangen wurde, und obwohl er sich mehrere Monate Zeit für den Artikel genommen hat, in denen von ihm mehrfach ausgiebige die Möglichkeit des Austauschs per Telefon in Anspruch genommen wurde.

Auch bei der Diskussion der Frage, wie und ob sich durch die Kooperation mit Afrikanischen Ländern eine gefährliche Abhängigkeit ergeben könnte, bleiben die Diskussion und die Argumente von Karlsruhe und der stundenlangen Gespräche am Telefon unerwähnt. Hier werden stattdessen Ängste bedient, Vorurteile verstärkt und Ideologien zementiert.

Es fällt mir schwer, diesen Artikel als Ausdruck eines unvoreingenommenen Journalismus aufzufassen, wie ich ihn in Sonne Wind & Wärme erwartet hätte. Warum diskutiert man die Zukunft der Stromversorgung nicht offener? Hat man Angst, sich Feinde zu machen, vielleicht unter den Anhängern einer rein dezentralen Stromversorgung? Wären durch eine unvoreingenommenere Darstellung die Grenzen der Freiheit des anzeigeabhängigen Mediums überschritten worden?


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